Der Rücktritt von Andrea Nahles vom Vorsitz der SPD und der SPD-Bundestagsfraktion war unausweichlich. Trotzdem verdient dieser Schritt Wertschätzung und Anerkennung. Der Umgang mit ihr war in den letzten Tagen oft unfair und auch verletzend. Sie übernimmt damit die Verantwortung für die Entscheidung der Mehrheit der Mitglieder in der SPD in die Große Koalition zu gehen. Ich habe seinerzeit für eine andere Entscheidung geworben.
Für mich geht es jetzt um Struktur und Inhalt. Da sind wir noch nicht weiter. Der Austausch von Personal alleine reicht nicht. Wir brauchen eine ehrliche Diskussion über Inhalte und auch darüber, wie und unter welchen Bedingungen wir in dieser Koalition weiter arbeiten wollen.
Wir brauchen eine neue Parteiführung, die gemeinsam mit der Partei eine solidarische und zeitgemäße politische Kultur etablieren muss. Das braucht Zeit. Weniger Zeit haben wir für die dringend notwendige inhaltliche Schärfung, die uns nicht erst in der aktuellen Koalition verloren gegangen ist:
eine konsequente Politik für die Bewahrung von Klima und Umwelt,
eine am Menschen, am Gemeinwohl und an den bürgerlichen Freiheitsrechten orientierte Gestaltung des digitalen Wandels,
eine Solidarität mit Menschen in Not und die Bekämpfung sozialer Ungleichheit durch Umverteilung, Bildung und Emanzipation.
Wir müssen uns in der SPD die notwendige Zeit nehmen, um die richtigen personellen Entscheidungen zu treffen. Dazu muss in der Parteiführung auch das ehrenamtliche Element deutlich stärker betonen werden. Es geht nicht an, dass im Parteivorstand fast ausschließlich im „Politikbetrieb“ Tätige Sitz und Stimme haben. Es fehlt insbesondere das kommunale Mandat. Die SPD war immer dann stark, wenn sie in den Kommunen verankert war und ihre kommunale Stimme klar und deutlich vernommen wurde.
Für einen neuen Aufbruch, der nur gemeinsam gelingen kann – ohne Eitelkeiten und für eine Sozialdemokratie, die auch weiterhin gebraucht wird, kann ich mir für die Zukunft auch eine Doppelspitze vorstellen. Die Elemente der unmittelbaren Teilhabe und Mitwirkung an politischen Entscheidungen müssen deutlich verbessert werden.
Nicht denken was möglich ist, sondern denken was nötig ist! Nur so schaffen wir die inhaltliche und personelle Neuausrichtung, die die SPD heute so dringend braucht.